Donnerstag, 13. März 2008

Der Sturm macht die Leute verrückt


"Der Sturm macht die Leute verrückt!" Dieser Ausspruch stammt von meiner Oma. Hilde, in Kamenzer Fachkreisen auch Ziegenhilde genannt, war früher ein wilder Feger und hat so einige Dinger gerissen in ihrem Leben. Nächsten Montag hat sie Geburtstag. Oder hätte, denn sie liegt schon seit sieben Jahren auf dem Just-Friedhof. Kinder, wie die Zeit vergeht. Der Gang zu unserer Familiengruft fällt bislang noch nicht schwer. Hilde war 84 und hatte ein erfülltes Leben. Wenn man das Einmischen in sämtliche Familienangelegenheiten meiner Eltern als zufriedenstellendes Hobby ansehen will.
Nein, Scherz beiseite: Die kleine Oma (sie reichte mir bis zur Schulter) war schon ein besonderes Kaliber. Aber das bin ich ja auch geworden. Also, wie kam ich auf sie? Ach ja - der Sturm macht die Leute verrückt! Das meinte sie nämlich immer, wenn ich mich als kleines Kind abends in mein kaltes Bette kuschelte und darum bat, dass irgend jemand das Fenster schließen könnte, weil die doofen riesigen Erlen hinterm Haus, auf Käbischs Gelände, wieder so unheilvoll vor sich hin rauschten. Aber Lüften ging vor. Und ich als Halbwüchsige brauchte schließlich den ganzen Sauerstoff, den man mir unbedingt über Nacht einfiltrieren wollte. Außerdem bewohnte Hilde bis zu meinem 12. Lebensjahr mein Kinderzimmer mit, will heißen, sie beschnarchte mich mit schöner Regelmäßigkeit und ließ auch sonst keine Woche vergehen, in der sie nicht mindestens einmal in wilden Traumfantastereien gefangen, um Hilfe schrie, weil sie wieder irgendein Tunichtgut packen wollte....
Ich griff dann in schöner Regelmäßigkeit und kindlicher Unschuld nur noch automatisch übers Bett und rüttelte sie. Meistens gab sie den Kampf mit dem bösen Räuber, Dieb, Lausbub, Vergewaltiger (was weiß ich denn, wer da ständig hinter ihr, der Hutbergköchin, her war) auf und schnorchelte gebissklappernd weiter. So Leute - das war meine Kindheit. Und da beschwert sich mein Sohn heute, dass ich gefälligst jedes Mal anzuklopfen hätte, wenn ich dem gnädigem Herren seine Puddings, Limos, Pizzas, Leckerlis und zur Not auch mal das Telefon in der miefigen "Hornzsche" vorbei bringe..... Ja, so ändern sich die Zeiten.
Doch zurück zum Sturm. Diese Nacht hat es wieder im Gebälk unseres Hauses geächzt, als ob die Elemente im Streit miteinander lägen. Und ich - derzeit sowieso öfters schlaflos und nicht vor 1 Uhr in den Müsiggang zu kriegen - hörte genau auf das, was mir Sturmtief Lara so alles zuflüstern wollte. Au Backe - da gehen einem plötzlich Gedanken durch den Kopf. Und neben einem schorchelt der Liebste vor sich hin, so dass man in immer kürzer werdenden Abständen liebevolle Kopfnüsse vergibt. Gottseidank weiß er es ja nächsten Morgen nicht mehr.
Und heute früh stürmte es seelenruhig weiter. Glücklicherweise ist unser Ossi-Hund ja ziemlich derb gebaut, so dass er mir nicht von der Leine flattern konnte, als wir unseren Rundgang durchs Herrental machten. Aber die wehenden Tannennadeln am Gestrüpp haben ihm sicherlich in den kleinen Arsch gestochen, als er sich zum Kacken positionierte. Als er dann noch eine ihm bekannte, ziemlich riesige Rottweilerhündin abschlecken wollte, machte die einen Satz nach vorn auf ihn zu, so dass er mit wehenden Ohren weiter rannte und mir dabei fast das Schultergelenk auskugelte.
Was sagt uns das - der Sturm macht nicht nur die Leute verrückt, sondern auch kleine Ossi-Hunde ziemlich größenwahnsinnig.

In dem Sinne, gut Sturm, haltet Eure Ohren in der Prise steif und euch auf dem Laufenden...

Charlotte de Cognac

1 Kommentar:

Anonym hat gesagt…

Ja,da kommt man von Arbeit nach Hause und findet im Internet wieder einen neuen Bericht.
Na das tut besser als die SZ am frühen morgen. Mach mal weiter so, es könnte fast das neue Wochenblatt von Kamenz werden und das ohne Werbung wie in unseren uninteressanten "roten,gelben und blauen Blättern"

Danke Charlotte !