Erfahrungen vererben sich nicht -
jeder muss sie allein machen.
Tucholsky (ganz deiner Meinung!)
Die Hälfte der Woche ist geschafft. Und ich sehne mich jetzt schon nach dem Wochenende. Seit dieses Schaltjahr begonnen hat, gibt es aus allen Richtung nur Hiobsbotschaften. Und die, die es schon einmal getroffen hat, trifft es ein zweites oder drittes Mal. Habe heute meinen Chef gefragt, ob sie denn in den letzten Monaten irgendwann einmal einen Spiegel zerschlagen haben. Die 7 Jahre Pech kämen dann vielleicht alle auf einen Haufen. Galgenhumor. Dabei sind die Schicksalsschläge so weit vom Ausdruck Pech entfernt, wie nur irgend etwas. Diesmal ist es seine große Tochter, die es getroffen hat. Nachdem sie die Pflege über Judi übernommen hat, klappte sie gestern plötzlich zusammen und man diagnostizierte einen Herzfehler. Wie viel Leid kann eine Familie tragen? Man steht so hilflos daneben. Dabei mache ich mir große Sorgen um ihn selbst. Helfen kann man dennoch nicht. Man scheint trotz aller Nähe hunderte Kilometer entfernt von seinen Sorgen. Dann immer diese doch unpersönliche Distanz auf der Arbeit.
Wenn ich das Beten behrrschen würde, könnte ich einen Schutzengel arrangieren. Doch woran glaube ich? Auf welche Wunder kann man bauen? Die Angst um andere überträgt sich auf mein Alltagsdenken und ein bisschen keimt die Angst auf, was wäre, wenn es dir selber in Kürze passiert? Dass Freunde und Kinder, der Liebste oder die Eltern in ihrem Kampf scheitern? Ja, ich habe Angst - gebe es ehrlich zu. Manchmal verfolgt mich das Ganze in die Träume. Schlafe sowieso sehr schlecht in letzter Zeit. Könnte aber auch meine Schilddrüse sein. Ach, es gibt immer ein Ausrede - ich weiß! Und so schleife ich durch diese Woche, die trotz allem nicht die schlechteste ist. Meine Steuerrückzahlung ist weitaus beachtlicher. Aber was zählt schon der schnöde Mammon... Andere haben ihn nicht einmal. Und so schließe ich leise betend und dankbar, dass es uns so gut geht...
Charlotte de Cognac
Es ist Sonntag und ich habe mich treiben lassen. Nach der gestrigen äußerst kurzen Nacht war das aber auch nötig, will ich meinen. Wir hatten Freunde zu Gast und versuchten es nach was weiß ich wie viel hundert Jahren mit Fondue und Raclette. Die angestaubten Geräte dazu mussten wir ganz unten aus den Schränken kramen. Aber es war eine schöne Runde, auch wenn das Klima zwischen uns Weibern doch noch etwas unterkühlt war, nach dem vortägigen Aussprache-Marathon.
Ich sprach ja schon von den Narben, die überall bleiben.
Aber der Rotwein schmeckte letztendlich doch noch und es wurde halb 4, als ich mich ins Bett schlich.
Deswegen gibt es heute zwischen Sofa und Bad, Essentisch und Kühlschrank nicht allzu viel zu berichten. Auch solche Tage müssen sein... die kommende Woche wird stressig genug....
In diesem Zusammenhang ein Spruch zum Tage:
"Mit Mitteln von gestern gibt es kein morgen."
Charlotte de Cognac
Hatten gestern Abend unseren Frauen-Ausprache-Abend. Puuhhh - das war anstregend, aber auch irgendwie spannend. Und auch wenn sich sicherlich nicht jede alles von der Seele geredet hat, war es doch fruchtbar. Ich denke, für die anderen auch. Selbst wenn man zeitweise ganz schön schlucken musste. Aber so sind wir Frauen eben. Austeilen ist leicht, einstecken weniger....
Na gut, wir sieben haben es alle überlebt. Als Schauplatz echten Zickenterrors würde ich die illustre Runde nicht gerade benennen wollen. Am Ende trennten wir uns unentschieden und in alkoholisiertem Zustand. Der Wein machte einfach mutiger...
Und die paar Narben, die nun bleiben, muss jede für sich selbst verarbeiten. Wenn sie es überhaupt will. Ich finde Narben durchaus verwegen. Sie machen uns doch aus. Wieder eine mehr. Es wird mich nicht umbringen.
Allerdings merkte man schon, wem man etwas mehr bedeutet und wem nicht. Mir geht es ja ebenso, dass ich meine Freundschaft auch nicht minimös exakt zu gleichen Teilen auf alle verstreue. Gottseidank hat man ja die Wahl. Wie sollte das auch gehen?
Und so ist die Luft gereinigt und wir können das Experiment Frauen-Symposium ad acta legen.
Männer - ihr habt echt was verpasst! Worum es eigentlich im Genauen ging, dazu in weiteren Geschichten mehr. Das kann man gar nicht alles auf einmal verarbeiten.
Und noch eine gute Nachricht: Mein schniefender Liebster hat sich wieder halbwegs hoch gerappelt. Wahrscheinlich hat er doch gemerkt, dass mich das ewige Geschnupfe und Gehüstle langsam aus der Fassung brachte. Auch unser gemeinsames "Nachtleben" war bereits an der Stufe der Verkümmerung angelangt. Doch der Austausch tausender Bazillen bereitet mir dann eben doch weniger Lust, dafür Bauchweh. Wie gemein, ich weiß. Die herum liegende Tonnen von Zellstofftaschentücher habe ich nun diskret entsorgt, und mit etwas Raumspray riecht es auch schon gar nicht mehr so wie im Altersheim und nach Hustensaft bei uns daheim. Wir probieren es heute Abend deswegen gleich mal mit Alkohol. Das entspannt bekanntlich und vernebelt die Sinne.
In diesem Sinne Prost!
Charlotte de Cognac
Es geht wieder. Obwohl ich echt ferdsch bin. Das sächsisches Synonym für ko., betröppelt, mit dem Nerven am Ende gefällt mir besser, als alles andere. Die Stimmung ist jedenfalls aufgehellt. Von Grau in Blau. Der Tag war anstrengend, aber fair. Keine Vorkommnisse, keine großartigen schmerz bereitenden Kritiken. Das Grübeln im Kopf hat dennoch nicht aufgehört. Der Streit in unserer Frauenrunde macht mir zu schaffen. Es herrscht derzeit ein Klima, wie früher in der 6. Klasse nach dem Motto: "Die kann mich nicht leiden, die hat das über mich gesagt, den oder den will ich nicht dabei haben..." ich bin es leid und habe gleich mal ein paar klärende Gespräche geführt. Man müsste viel öfters die Meinng klar artikulieren. Bin da manchmal auch eine von den Feigen: Ja keine Konflikte. Doch oft geht es so ja auch nicht. Mit den Freundschaften ist es wie in der Liebe - ein gewitter reinigt die Luft. Hoffe, dass das die andern auch so sehen.Es wäre schade drum.
Dafür geht es der Tochter meines Chefs wieder besser. Nach einer schweren Hirn-OP hat das Mädchen echt zu leiden und nachdem Frank es nach fast 4 Wochen schwierigen und aufopferungsvollen Wochen wieder in den Arbeitsalltag schaffen wollte, während sie zur Reha überwiesen wurde, musste er gestern schon wieder abbrechen, weil sie hohes Fieber bekam. Die süße Judi ist eine Kämpferin, aber wie schwer kann ein elfjähriges Mädchen tragen?
Die halbe Stadt fiebert mit der Familie mit, sie ist dem Tod sozusagen kürzlich erst von der Schippe gesprungen. Bei jedem Grad Fieber zuckt die habe Kleinstadtnation zusammen und drückt automatisch auf alle zur Verfügung stehenden Daumen. Aber heute gab es Entwarnung und auch in der Redaktion atmeten wir auf. Frank ist ein guter Chef, obwohl er in den letzten Wochen um 10 Jahre gealtert scheint. Ist halt der Lieblingspapa von Judith. Sie ist nicht nur in einer Hinsicht gesegnet. Hoffen wir also weiter. Und ertragen unsere eigenen kleinen Probleme mann bzw. frauhaft. Ein Lieblingsspruch der letzten Zeit von mir: Es wird alles nicht so heiß gegessen, wie es gekocht wird. Leider macht Hunger böse und allzu lange will man nie auf Abkühlung warten. In dem Sinne - es ist Mittwoch.
Charlotte de Cognac
Hallo. Dieser Tag war von Anfang an ein trüber. Er begann gegen 7.15 Uhr, als der Wecker mit einem fürchterlichen Radioprogramm vor sich hin schrie. Und mein Liebster neben mir einen langen Schniefer von sich gab, um seinen krank geschriebenen Körper noch einmal genüsslich zu wenden. Die Jaloussie im Schlafzimmer ließ nur wenig Licht herein. Wie auch, es gab selbst draußen vor der Tür nicht viel mehr davon. Dienstag. Ein nichts sagender Tag. Kein Beginn, kein Ende in Sicht. Nicht mal die Mitte greifbar.
Und es wurde nicht besser. An manchen Tagen denkst du ja gleich: Das wird nix heute. So ein Tag war das. Unangenehme Außentermine, triste Bürgermeisterzimmer auf dem Land. Nicht mal ein gescheites Mittagessen gab es. Keine Zeit, dann doch zwischendurch ein paar Äpfel und Apfelsinen rein geschoben - wegen dem schlechten Gewissen, das einem im sitzenden Alltag so packt. Schließlich noch die erlösenden Süßigkeiten. Und mit den zu schreibenden Zeilen wurde es auch nicht besser.
Ich hatte ein echt schwieriges Thema im Block Ein geistig behinderter 20-Jähriger, der von der hiesigen Behindertenwerkstatt wahrlich art gebeutelt worden ist. So erzählten es jedenfalls die engagierten Eltern. Die Begegnung im ihrem Hause war warm und herzlich und hinterließ Spuren bei mir. Der kaum sprachfähige junge Mann, gefangen in seiner wundervollen Welt... Mit Tönen, die an einen Kindercomic erinnerten. Wie er zwischendurch mit dem großen Bruder, einem Studenten, telefonierte, sich freute, die Mouse am Computer hin und her schob und eifrig auf den Ottoversandseiten rum hämmerte, als gelte es eine Doktorarbeit zu schreiben. Daneben die geduldige Mutter, die mit aller Liebe und voller Wut im Bauch die Probleme mit den Behörden erörterte. Die jüngere Schwester, kaum 12 Jahre alt, wie sie mit dem Hauskater auf dem Arm dazu kam und neugierig das Geschehen verfolgte. Eindrücke, die wohl bleiben.
Was schreibt man da richtig in 130 Zeilen? Wie neutral bleibt man dabei? Ich habe, denke ich, kurzzeitig die Grenzen überschritten. Nicht gut für Zeitungsarbeit. Aber am Ende befriedigend für mich. Könnte sein, morgen hageln die Kritiken seitens der Werkstatt. Ich bin eh nicht da - wieder Außentermine. Unliebsame, komische. Und gleich drei an der Zahl. Wenigstens ist die Mitte der Woche dann geschafft.
Die aufreibende Geschichten mit meinem Frauenstammtisch hebe ich mir für eine extra Geschichte auf. Zu viel an Emotionen am heutigen Tag. Es ist spät, für manche Sachen auf einmal jedenfalls. Die spinnen doch, die Weiber!
Charlotte de Cognac
Was sagt man denn so zur Begrüßung? Bon Soir? Guten Abend? Hallo Leute? Vielleicht von allem etwas? Ich bin jedenfalls da. Auf Sendung, wie man so schön sagt. Und irgendwie angekommen dadurch. Ich, Charlotte de Cognac, geborene Goldkrone. Ein Mädchen - nicht spät und auch nicht zu früh. Eine sächsische Kleinstadtpflanze eben, die genau diesen Mief hier mag und ohne dem nicht gern leben kann.
Ich könnte es. Oh ja - ich könnte es... Ich habe es oft genug durch geträumt. Aber der Sturm des Lebens hat mich eben nicht hinaus getragen. Und wenn, dann nur für ein paar Jahre. Mit Bumerang-Qualität sozusagen. Deswegen habe ich mich dagegen entschieden, wegzuziehen. Und man wird es nicht glauben: Mein Leben hier ist total ok so, wie es ist.
Tagsüber schreibe ich bei einer großen Zeitung dieses Landes, übe mich in der Verzweiflung einer geplagten Mutter eines pubertierenden Teenagers und nachts...nun, du meine Güte. Da singe ich manchmal, stehe auf den Bühnen der Provinz, schlüpfe in Rollen, die ich mir meist selber ausgedacht habe. Ich erotisiere, sinniere, lache, weine oder mache Krach, steuere Menschen, organisiere, verplane die Zeit und mache dabei auch Fehler. Manchmal genau in dieser Reihenfolge. Dann kommen die Wochenenden auf einer Naturbühne, die sommerlichen Stadtführungen im Mittelaltergewand..
Oder ich genieße meine vielen Freunde. Hier ist übrigens überwiegend von Damen die Rede, meine Herren! Viele, die mich kennen meinen: "Sag mal, wie schafft du das alles? Ich würde umkippen, wenn ich dein Pensum leben müsste!" Doch das alles wirft eine Charlotte de Cognac, geborene Goldkrone, beiweitem nicht um.
Dafür habe ich im Gegensatz zu den anderen Landpommeranzen nämlich 1000 Geschichten zu erzählen, die ich unbedingt los werden möchte. Vielleicht ist hier der richtige Ort dafür. Ich bin total gespannt darauf. Morgen geht es los. Ja, morgen geht mein neues virtuelles Leben los. Versprochen!
Charlotte de Cognac